Spenden an Suppenküchen werden durch eine EU Verordnung erschwert. Für jede Gratis-Gabe müssen Papiere ausgefüllt werden. Bei der Tagesstätte MAhLZeit in Altona bleiben erste Spenden aus
Suppenküchen, wie es sie in Hamburg in mittlerweile 18 Begegnungsstätten gibt, sind für Obdachlose ein unverzichtbarer Zufluchtsort. Zu ihnen gehört die Tagesstätte Mahlzeit des evangelischen Kirchenkreises Altona in der Billrothstraße, die im Winter täglich hundert Menschen besuchen. In der ehemaligen Stadtmission können sie kostenlos duschen, sich rasieren, Kleidung waschen lassen und etwas Warmes essen.
Doch die tägliche Essenausgabe ist nur durch Lebensmittelspenden möglich und gerade die sind in jüngster Zeit rückläufig. Grund ist eine Anfang des Jahres in Kraft getretene EU-Basisverordnung, die die Rückverfolgung von Lebensmitteln gewährleisten soll. Danach gelten auch gemeinnützige Organisationen, die Essen an Bedürftige verteilen, als Lebensmittelhändler. Die Spender müssen deswegen für jede Gabe auf einem Lieferschein Artikelnummer, Wareneingang, Mindesthaltbarkeitsdatum und den Empfänger vermerken.
„Jeder Großhändler oder Supermarkt, der uns etwas spenden will, hat nun einen enormen bürokratischen Aufwand“, erklärt Marion Sachs von Mahlzeit. Und da das Gesundheitsamt aufgrund der jüngsten Lebensmittelskandale die Dokumentationen intensiver kontrolliere, seien leider schon „viele Spender abgesprungen.“
Jörg Eberlein, Fachberater bei der „Handelshof“-Kette, hat die Kooperation mit Mahlzeit aufgrund dieser bürokratischen Barrieren schweren Herzens beendet. „Es wird einem unmöglich gemacht, Gutes zu tun“, erklärt er. „Wir müssten allein für die Spenden extra jemanden einstellen, der alles ordnungsgemäß dokumentiert.“ Selbst die teure Entsorgung von Lebensmitteln, die aufgrund eines zeitnahen Verfallsdatums unverkäuflich wurden, sei günstiger, als sie Bedürftigen zu spenden.
Vor allem kleinere karikative Einrichtungen trifft die EU-Verordnung hart. Die Hamburger Tafel, die im größeren Stil mit bis zu sechs Wagen täglich soziale Einrichtungen mit Essen versorgt, umgeht das Problem, indem sie den Betrieben die Dokumentationspflicht abnimmt. „Unsere Mitarbeiter füllen die Lieferscheine aus und die Spender müssen nur noch unterschreiben“, erklärt der Tafel-Vorstand Eberhard Lotzing. Doch dies gibt die dünne Personaldecke bei Mahlzeit nicht her.
Abgesehen von der Leiterin Marion Sachs arbeiten hier ausschließlich ehrenamtliche Helfer, viele von ihnen sind ehemalige Obdachlose. „Als Leiterin einer solchen Einrichtung steht man mit einem Bein im Knast, wenn man versucht, den Betrieb aufrechtzuerhalten“, berichtet Sachs, die auf Firmen angewiesen ist, die sich trotzdem nicht vom Spenden abbringen lassen.
Denn Glücksfälle wie der jüngste Privat-Besuch von Jörg Eberlein sind selten. Der Handelshof-Mitarbeiter übergab Sachs fünf Paletten mit Käse, Lachs und Wurst – undokumentiert und trotzdem legal. Ein Käufer hatte sich verspekuliert und gab die bezahlte Ware mit der Bitte zurück, sie an Bedürftige weiterzuleiten. Damit ist es eine Privatspende, die nicht der Dokumentationspflicht unterliegt.
Von Maik Dähling
Quelle: TAZ
http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2006/01/02/a0038